Online-Bewertungen für Immobilien gibt es schon ab 29,90 €. Warum also hunderte von Euros ausgeben, wenn man für viel weniger Geld ein gleichwertiges Gutachten erhält? So, oder so ähnlich denken viele Menschen. Zu Recht?
Auf den ersten Blick hört sich das Angebot auch irgendwie gut an, doch sieht man genauer hin, entpuppt sich die scheinbar schnelle und kostengünstige Wertermittlung als Pi-mal-Daumen-Angabe, mit der Sie am Ende eher schlecht als recht beraten sind.
1. Korrekte Werte: Bei der Wertermittlung hängt alles von den Werten ab, die man zugrunde legt. Stimmen die Angaben im Expose nicht oder werden die Daten eingegeben, ohne sie entsprechend zu modifizieren, dann stimmt der berechnete Wert nicht mit dem Marktwert der Immobilie überein. Können Sie sich sicher sein, dass alle Daten, die Sie bekommen haben, korrekt sind?
2. Angebotspreise sind keine Verkaufspreise: Die meisten Anbieter von Online-Bewertungen greifen auf eine eigene Datenbank zurück, in der die Preise verschiedener Immobilien gespeichert sind. Das Problem ist nur: Es handelt sich dabei lediglich um Immobilienpreise, die von den Verkäufern selbst festgesetzt wurden. Es handelt sich also nicht um die Preise, zu denen die Immobilien tatsächlich verkauft worden sind! Die Immobilienwerte der Referenzobjekte, mit denen Sie Ihre Immobilie “messen”, liegen somit meist zu hoch.
3. Vergleichswertverfahren: Den Berechnungen in Online-Portalen liegt in der Regel das Vergleichswertverfahren zugrunde. Das ist, neben dem Ertragswertverfahren, durchaus ein gültiges Wertermittlungsverfahren. Da es jedoch lediglich auf einem Vergleich beruht (mit ähnlichen Immobilien), ist es nicht ausreichend.
Zudem gibt es zu vielen Immobilien keine oder keine ausreichenden Vergleichsobjekte. Besonders dann, wenn es sich um baulich individuelle Immobilien handelt, die nicht nach Schema F abgehandelt werden können, ist das Vergleichswertverfahren also unzureichend.
Gerade bei Einfamilienhäusern oder kleineren Mehrfamilienhäusern ist eher die Sachwertermittlung anzusetzen – ganz einfach weil sie genauer ist.
4. Mängel und Schäden: Ohne das nötige Wissen, ist es schwer bzw. unmöglich einzuschätzen, ob Mängel oder Bauschäden vorliegen und ob es sich bei den angegebenen Modernisierungen wirklich um solche handelt oder hier nur “Kosmetik” betrieben wurde. Um das Ausmaß und die (finanziellen) Konsequenzen einschätzen zu können, bedarf es einer Immobilienbesichtigung durch einen Sachverständigen – und diese fällt online komplett weg.
5. Individuelle Anpassungen: Ob es sich nun um den Bodenrichtwert, baurechtliche Gegebenheiten oder Rechte und Belastungen handelt – es gibt viele Werte, die abhängig von der Immobilie und des Stichtages der Erhebung angepasst werden müssen. Eine Online-Bewertung kann diese im Einzelfall spezifischen Anpassungen ebenfalls nicht leisten.
Diese Frage können wir aus unserer Sicht mit einem klaren Nein beantworten. Für Kaufinteressenten ist es immer ratsam, sich an einen Sachverständigen zu wenden, weil nur in einem richtigen Wertgutachten alle wertrelevanten Eigenschaften erfasst und einberechnet werden. Gerade in “finanziell kritischen” Situationen wie Finanzierungsfragen, Erbschaften oder Ehescheidungen u. Ä., ist es nötig, dass Sie den genauen Immobilienwert wissen und belegen können.
Für Verkäufer wiederum kann so eine Bewertung über ein Online-Formular Sinn machen: Wenn man als Besitzer gar keine Ahnung hat, was denn die eigene Immobilie nun wert ist, dann erhält man darüber einen guten Richtwert. Beachten Sie aber, dass, wenn Sie Ihre Immobilie mit eben diesem Richtwert in eine Datenbank wie der von Immobilienscout24 eintragen, Sie zur Verfälschung der Werte beitragen können (siehe Punkt 2)!
Eine bessere Alternative ist auch hier der Weg über die Experten: Holen Sie sich, wenn überhaupt, die Vergleichspreise lieber über einen Gutachterausschuss. Denn hier erhalten Sie dann tatsächlich auch die Verkaufspreise (soweit vorhanden) vergleichbarer Immobilien.
Vergleichspreise vom zum Beispiel Gutachterausschuss München kosten aktuell um die 250 Euro (für ca. 5 Stck.). Noch ein Argument gegen Online-Bewertungen: Qualität im Bereich der Immobilienbewertung ist eben nicht für 29,90 Euro zu haben.